Liebe Leserin, lieber Leser,
ein Syndrom bezeichnet in der Medizin und der Psychologie „eine Kombination von verschiedenen Krankheitszeichen, die typischerweise gleichzeitig und gemeinsam auftreten“ (Wikipedia). Ein solches Krankheitszeichen erkennt der Chef des Bundeskanzleramtes, Wolfgang Schmidt, in diesen Tagen bei uns Deutschen ausgerechnet im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Er nennt es „V2-Syndrom“ – in Erinnerung an die als „Wunderwaffe“ von den Nazis gebaute Rakete V2, die die Wende im zweiten Weltkrieg bringen sollte. Das „V“ stand damals für das Wort Vergeltung, denn die Rakete war vor allem gegen die Zivilbevölkerung in den großen Städten der Weltkriegsfeinde gerichtet.
Wie kommt der Chef des Kanzleramtes dazu, uns ein solches Krankheitsbild zu attestieren? Er vergleicht die V2 allen Ernstes mit dem Leopard-Kampfpanzer, den beachtliche Teile der eigenen Regierungsfraktionen und auch die Unionsfraktion seit Monaten nennen, wenn es um eine bessere Ausrüstung der Streitkräfte der Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg geht. Der Leopard-Panzer eine „Wunderwaffe“? Eine Wunderwaffe als „Vergeltung“? Wir alle von einer multiplen Krankheit befallen?
Wolfgang Schmidt, so heißt es in Berlin, sage, was der Kanzler denkt. Wenn das auch in diesem Fall so ist, dann gibt es einen mehrfachen Grund, dass der Bundeskanzler endlich sein Schweigen bricht, warum er seit Monaten die Exportgenehmigung für den Leopard-Panzer blockiert. Denkt er so, wie Schmidt redet? Erkennt auch er bei uns ein Krankheitsbild? Hält er den Leopard auch für eine Vergeltungswaffe? Oder ist es schlichte historische Unkenntnis und ein vollkommen abwegiger Vergleich seines wichtigsten Kabinettsmitglieds? Man kann nur hoffen, dass letzteres der Fall ist. Dann aber sollte Schmidt Zeit bekommen für ein ausführliches Studium der deutschen Geschichte.
Mit besten Grüßen
Ihr Friedrich Merz