#MerzMail 128: Gesetzgebung im Blindflug

Liebe Leserin, lieber Leser,

das war die letzte Sitzungswoche des Deutschen Bundestages im Jahr 2022. Und wie immer zum Jahresende mussten noch einige Entscheidungen getroffen werden. Darunter waren auch die Gesetze der Koalition für die versprochenen Gas- und Strompreisbremsen. Dazu gab es in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch noch 346 (!) Seiten Änderungsanträge, die am Mittwochmorgen in den Ausschüssen abschließend beraten und am Donnerstagmorgen im Plenum in 2. und 3. Lesung beschlossen werden sollten. Kein einziger Abgeordneter konnte diese Texte in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit noch lesen, geschweige denn in Ruhe bewerten. Das ist Gesetzgebung im Blindflug, vollkommen in der Hand der Ministerialbürokratie und eine Zumutung für das Parlament.

Wir erleben diese Vorgehensweise der Koalition jetzt zum wiederholten Mal. Immer auf die letzte Minute, immer in der Nacht vor den entscheidenden Sitzungen, nie mit der gebotenen Sorgfalt im parlamentarischen Verfahren. Diese Art der Gesetzgebung trägt fast schon zwangsläufig den Keim schwerer handwerklicher Fehler in sich. Auch Mitglieder der Bundesregierung können selten präzise Antworten auf von uns gestellte Fragen geben. Mit der Verabschiedung der Gesetze im Bundestag wird dann gleich versprochen, wenn sich Fehler herausstellen sollten, könne man ja nachbessern.

So ging es auch zu bei der Verabschiedung des Jahressteuergesetzes vor zwei Wochen. Durch die steigenden Grundstückspreise und die erforderlich gewordenen neuen Bewertungen werden ab dem nächsten Jahr die Erbschaftsteuern auf Immobilien auch im Mittelstand stark ansteigen. Das hat man im Bundesfinanzministerium in der Eile der Gesetzgebung offenbar übersehen. Der Bundesfinanzminister hat Abhilfe durch höhere Freibeträge in Aussicht gestellt. Gefolgt ist daraus: Nichts. Das Gesetz tritt zum 1. Januar in Kraft, und ab dem nächsten Jahr wird es noch schwieriger, Familienbetriebe in die nächste Generation zu übertragen.

Zu solchen Schnellschüssen in der Gesetzgebung reichen wir nicht die Hand. Natürlich werden wir dafür von der Koalition kritisiert, denn „konstruktive Opposition“ heißt in den Augen der Ampel allein kritiklose Zustimmung zu allem, was sie vorlegt. Aber wenn die zu erwartenden Verwerfungen etwa bei den Ausgleichszahlungen für die hohen Gas- und Strompreise erkennbar werden, würden sie uns vorhalten, wir hätten doch allem zugestimmt. Und genau deshalb tun wir es nur, wenn wir genau wissen, was wir beschließen und wir auch in der Sache zustimmen können.

So geht das Jahr zu Ende mit Beschlüssen, die zwar viel Geld kosten werden. Aber es bleibt vollkommen offen, ob damit auch das erreicht wird, was jetzt nötig wäre, nämlich eine schnelle und nachhaltige Entlastung der privaten Haushalte und der Unternehmen.

Ich wünsche Ihnen trotzdem einen schönen vierten Advent!

Ihr Friedrich Merz

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