#MerzMail 147: Ein Industriestrompreis für alle Unternehmen?

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Energiepreise in Deutschland sind unverändert viel zu hoch – für private Haushalte genauso wie für die Unternehmen. In Europa gibt es wenige Länder, die noch höhere Strompreise haben als wir. In den USA zahlen private Verbraucher weniger als die Hälfte, die Unternehmen sogar nur rund ein Drittel dessen, was der Strom in Deutschland kostet. Zusammen mit dem Inflation Reduction Act (IRA) der Biden-Administration, der vor allem aus Steuervergünstigungen für Investitionen in den USA besteht, sind die Standortbedingungen in den USA heute um ein Vielfaches besser als in Deutschland.

Dies scheint so langsam auch die Bundesregierung zu bemerken, denn viele Unternehmen aus Deutschland müssen in diesen Wochen und Monaten ihre Investitionsentscheidungen treffen, und die Energiepreise bekommen neben den steuerlichen Belastungen eine immer größere Bedeutung. Also verspricht der Bundeswirtschaftsminister einen Industriestromtarif, der aus Steuermitteln heruntersubventioniert werden soll. Ein solches Versprechen hat auch der Bundeskanzler im Wahlkampf 2021 abgegeben, aber nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine wartet die deutsche Wirtschaft auf die Einlösung dieses Versprechens.

Wie realistisch ist ein solcher „Industriestrompreis“? In Deutschland werden zurzeit rund 600 Terawattstunden Strom im Jahr erzeugt, das sind 600 Milliarden Kilowattstunden. Nimmt man sehr grob geschätzt an, dass davon etwas weniger als die Hälfte in der Industrie benötigt wird, dann kommen wir auf etwa 250 Milliarden Kilowattstunden Stromverbrauch in der Industrie. Ein Cent wengier am Strompreis für die Industrie wären in Summe also – immer noch sehr grob geschätzt – gut zwei Milliarden Euro. Wenn der Strompreis wirklich spürbar gesenkt werden sollte, müssten schon zehn Cent pro Kilowattstunde aufgewendet werden. Unter 20 Milliarden Euro im Jahr wäre also für die Unternehmen keine wirksame Entlastung auf die Strompreise möglich. Wir wären dann immer noch weit entfernt von dem Industriestrompreis, den der Bundeskanzler – zugegeben: vor dem Ukrainekrieg – der deutschen Industrie versprochen hat.

An den Zahlen lässt sich ablesen, welche Mittel aus öffentlichen Kassen notwendig wären, um die Wirkungen der Politik der Ampelkoalition für die Wirtschaft zu korrigieren. Diese Politik treibt die Strompreise nämlich gleich von zwei Seiten nach oben: Zum einen wird mit der Stilllegung der Kernkraftwerke und den Beschränkungen bei Wasserkraft und Biomasse das Angebot künstlich verknappt. Auch dauert der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie deutlich länger als die Ampel in ihren Planungen zugrunde legt. Zum anderen wird die Nachfrage nach Strom durch die einseitige Festlegung auf E-Mobilität im Verkehr und auf die Wärmepumpe in den privaten Haushalten künstlich erhöht. Kein Wunder also, dass wir in Deutschland so hohe Stromkosten haben. Statt aber mit Subventionen aus dem Steuerhaushalt, die in Brüssel im Übrigen noch längst nicht genehmigt sind, die Verwerfungen im Strommarkt mühsam zu korrigieren, wäre es besser, das Angebot aus allen verfügbaren Quellen auszuweiten und die Nachfrage zu dämpfen, zum Beispiel durch Technologieoffenheit im Verkehrs- und Gebäudesektor. Aber das widerspricht nun einmal den ideologischen Festlegungen der Ampel auf die Elektrifizierung unserer gesamten Volkswirtschaft. Mit anderen Worten: Wer der Marktwirtschaft misstraut und die Unternehmen wie die privaten Haushalte einseitig auf eine bestimmte Technologie festlegen will, der verstrickt sich immer tiefer in Subventionen und sozialen Ausgleichsmechanismen für die Folgen seiner eigenen Politik. Auch so kann man eine Volkswirtschaft massiv beschädigen und die öffentlichen Haushalte gleich mit dazu.

Mit besten Grüßen

Ihr Friedrich Merz

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