#MerzMail 39

Liebe Unterstützerinnen,
liebe Unterstützer,

die Welt dreht sich weiter, auch wenn wir uns fast nur noch mit Corona beschäftigen. Seit einigen Tagen mehren sich die Anzeichen, dass Russland in großem Umfang Truppen Richtung Westen an die Grenze zur Ukraine hin verlegt. Die Beobachtungen verschiedener Medien zeigen lange Schlangen von Schwerlasttransporten mit Panzern, Artilleriewaffen und Pioniergerät. Moskau erklärt die Truppenverlegungen mit „Provokationen“ seitens der Ukraine.

Um welche Art von „Provokationen“ es sich da handelt, erklärt Moskau nicht. Dagegen stehen noch immer russische Truppen in der Ostukraine, täglich sterben dort Menschen durch kleinere Gefechte. Plant die russische Regierung eine Eskalation des Konfliktes? Und wenn ja: Warum zu diesem Zeitpunkt?

Russland unterhält seit Jahren eine ganze Reihe sogenannter „frozen conflicts“, also mehr oder weniger eingehaltene Waffenstillstandsvereinbarungen ohne Friedensvertrag, mit denen Gebietsansprüche so lange in der Schwebe gehalten werden bis sich eine Gelegenheit ergibt, sie im Schatten anderer Ereignisse oder nach erlahmendem öffentlichen Interesse doch noch durchzusetzen. Steht die Ukraine vor einem solchen Szenario?

Unsere Zurückhaltung kommt großen Teilen der Linken gerade recht

Die Gelegenheit könnte günstig sein. Große Teile der Welt, vor allem Europa und die USA, sind noch immer im Corona-Krisenmodus, auch die Streitkräfte sind davon betroffen. In unserem Teil der Welt gibt es zudem kaum Interesse an den zahlreichen Konflikten um und mit Russland, im Gegenteil, gerade in Deutschland ist die Zahl der „Russland-Versteher“ so groß wie nie. Die russische Propaganda über Social Media-Kanäle läuft ebenso erfolgreich wie die ungebremste Tätigkeit von russischen Staatsmedien  wie Russia Today mit umfassendem deutschsprachigem Programm. Derweil fahren wir – anders als etwa die BBC – unsere Auslandssender immer weiter herunter, vordergründig um Kosten zu sparen. Tatsächlich kommt diese Art der Zurückhaltung großen Teilen der deutschen und europäischen Linken aber gerade recht, lautstark unterstützt von der neuen Rechten, die offenbar gar nicht bemerkt, wie sehr sie von russischer Seite systematisch für deren Interessen instrumentalisiert wird.

Eine militärische Antwort kommt nur dann in Frage, wenn – etwa im Baltikum – Mitgliedstaaten der NATO betroffen sind. Aber zwischen der EU und Amerika muss es jetzt möglichst bald eine gemeinsame Bedrohungsanalyse der Lage an der ukrainischen Grenze zu Russland geben, die der Öffentlichkeit auch ungeschminkt zur Verfügung gestellt wird. Die seit Jahren andauernde Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien und die Verteidigung der Militärjunta in Myanmar, Bürgerkriege gegen das eigene Volk mit unzähligen zivilen Opfern und grauenhafter Not der Menschen in beiden Ländern, zeigen das wahre Gesicht der gegenwärtigen politischen Führung Russlands.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland kann es nur auf Basis der Charta von Paris geben

Doch Russland ist ein europäisches Land, und ohne Russland wird es eine dauerhafte politische Friedensordnung in Europa nicht geben. Noch die Sowjetunion hat die Charta von Paris im Jahr 1990 mit 32 europäischen Ländern, den USA und Kanada unterschrieben und sich zur Demokratie als einziger Staatsform, zur Freiheit und zum Selbstbestimmungsrecht aller Völker bekannt. Daran ist Russland als einer der Rechtsnachfolger der früheren UdSSR gebunden, ebenso wie alle anderen Nachfolgestaaten. Wirtschaftliche Zusammenarbeit kann es mit Russland nur auf der Basis dieser geschlossenen Vereinbarungen geben. Sonst wächst das Bedrohungs- und Erpressungspotential Russlands zu einer ernsthaften Gefährdung des Friedens und der Freiheit unseres gesamten europäischen Kontinents heran.

Möge das bevorstehende Osterfest uns allen trotzdem einige Tage der Ruhe und Besinnung geben. Ich wünsche es Ihnen und uns allen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr
Friedrich Merz

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