#MerzMail 194: Cannabis: Der nächste Bürokratieschock

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Ampel hält sich viel darauf zugute, nun endlich den Konsum von Cannabis zu „entkriminalisieren“. Gegen den Rat fast aller Fachleute aus der Medizin, der Psychiatrie, der Kinder- und Jugendhilfe, der Kriminologen, der Polizei und nicht zuletzt der Justiz hat die Ampel am letzten Freitag für die hoch umstrittene Freigabe des Anbaus und Konsums von Cannabis auch die letzte gesetzgeberische Hürde genommen: Im Bundesrat kam eine Mehrheit für die von Bayern beantragte Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zustande. Da der Bundesrat dem Gesetz nicht zustimmen musste, sondern nur einen Einspruch hätte einlegen können, wirkten die Enthaltungen der von der CDU mitregierten Länder, zu denen die jeweiligen Koalitionsverträge verpflichten, wenn es keine Einigung gibt, wie eine Nein-Stimme gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Damit tritt das Gesetz am 1. April in Kraft, wenn der Bundespräsident es unterschrieben hat.

Zu den Risiken und Nebenwirkungen des Gesetzes können jetzt nicht nur Ärzte und Apotheker gefragt werden, sondern auch die Landesjustizverwaltungen. Auf die Amts- und Landgerichte kommt eine Welle von Wiederaufnahmeverfahren zu, da die Ampel die „Entkriminalisierung“ auch rückwirkend geregelt hat. Allein das Land Nordrhein-Westfalen rechnet mit bis zu 60.000 Verfahren, in denen es nicht nur einfach rückwirkend um die Aufhebung von strafrechtlichen Verurteilungen gehen wird, sondern auch um neue Gesamtstrafen, wenn weitere Straftaten abgeurteilt wurden, die oftmals im Zusammenhang mit dem nunmehr straffreien Cannabis-Genuss standen, wie Gewalt- und Einbruchsdelikte.

Nach der abgeschlossenen Wiederaufnahme der Strafverfahren müssen die Eintragungen im Bundeszentralregister korrigiert werden, ebenfalls eine Mammutaufgabe für die Justiz. Und mit der Straffreiheit hat die Ampel trotz nachdrücklicher Mahnungen der Verkehrsrechtsexperten noch überhaupt nicht festgelegt, welche konkreten Grenzwerte der Inhaltsstoffe von Cannabis denn ab dem 1. April im Straßenverkehr gelten sollen.

So kommt auf die ohnehin hoch belastete Justiz in Deutschland schon bald eine große Welle von zusätzlichen Verfahren zu, für die zusätzliches Personal vor allem bei den Amtsgerichten eingestellt werden muss.

Und im Straßenverkehr gibt es neue Risikofaktoren durch bekiffte Autofahrer, deren Verurteilung auf absehbare Zeit erst möglich sein wird, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang des Konsums von Cannabis auf das Verhalten im Straßenverkehr nachgewiesen werden kann. Bei Alkohol im Straßenverkehr geht der Gesetzgeber seit langem schon zu Recht den gegenteiligen Weg einer abstrakten Gefährdung und Fahruntauglichkeit schon bei geringen Mengen Blutalkoholgehalt.

Mit der Straffreiheit des Cannabis-Konsums hat die Ampel also nicht nur einen äußerst zweifelhaften Schritt unternommen gegen die Gesundheit vor allem von Jugendlichen und Heranwachsenden; sondern sie beschädigt mit der Freigabe von Cannabis auch unseren Rechtsstaat und erzeugt neue Bürokratielasten in einem bislang nicht absehbaren Ausmaß.

Viele Ministerpräsidenten haben beide Aspekte mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck gebracht, als der Bundesrat mit dem Gesetz befasst war. Aber der Schaden für die Gesellschaft und die Justiz in unserem Land war den SPD-geführten Ländern offenbar weniger wichtig als der Zusammenhalt einer Ampelkoalition, die sich ansonsten kaum noch in einem politischen Projekt einig wird. Warum hat eigentlich der Bundesjustizminister zu alledem geschwiegen?

Mit besten Grüßen

Ihr Friedrich Merz

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