Liebe Leserin, lieber Leser,
an diesem Wochenende kommt der französische Staatspräsident Emmanuel Macron zu einem Staatsbesuch nach Deutschland. Es ist der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten seit 24 Jahren!
Macron nimmt teil am „Fest der Demokratie“, das wir in Berlin aus Anlass des 75. Geburtstages unseres Grundgesetzes feiern. Allein dies ist eine gute Geste: von Deutschland aus, dass wir ihn einladen; von Frankreich aus, dass der Präsident die Einladung angenommen hat. Aber der Besuch darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Verhältnis zwischen unseren beiden Ländern nicht so gut ist, wie es gerade in der jetzigen Zeit sein sollte. Deshalb muss neben den guten Bildern, und die gehören dazu, auch in der Substanz des deutsch-französischen Verhältnisses aus diesem Besuch etwas herauskommen.
Der wichtigste Pfeiler eines guten und freundschaftlichen Miteinanders unserer beiden Länder ist die junge Generation. Deutschland und Frankreich sollten den Jugendaustausch wieder intensivieren. Der gegenseitige Schüleraustausch gehört ebenso dazu wie die Möglichkeit, im jeweils anderen Land einen Teil der Schul- und Ausbildungszeit zu verbringen. Dazu müssen die Sprachkenntnisse auf beiden Seiten des Rheins wieder besser werden, und es wäre deshalb ein starkes Zeichen der Bundesregierung, in den Tagen des Besuchs zu entscheiden, die Goethe-Institute in Frankreich – anders als geplant – n i c h t zu schließen.
Aber auch unsere Volkswirtschaften müssen enger zusammenwachsen. Dazu braucht es wenigstens ein Leuchtturmprojekt, das nach außen sichtbar macht, dass wir entschlossen sind, die wirtschafts- und finanzpolitische Zusammenarbeit zu verstärken. In der EU wird seit Jahren über eine europäische Kapitalmarktunion diskutiert. Warum gehen Deutschland und Frankreich nicht voran und versuchen, die beiden Börsenplätze stärker zu integrieren? Europa braucht einen besseren und vor allem einen einheitlichen Kapitalmarkt. Ein solches Projekt geht nicht ohne Deutschland und Frankreich. Und zu diesem Kapitalmarkt gehört eine gemeinsame Aufsicht, die einheitliche Standards setzt. Hier lässt sich mit etwas gutem Willen eine Arbeitsteilung zwischen Deutschland und Frankreich durchaus vorstellen, die andere in der EU einlädt mitzuwirken. Aber Deutschland und Frankreich müssen vorangehen, die Welt wartet nicht, bis in Europa alle 27 einen Kompromiss gefunden haben.
Heißen wir den französischen Staatspräsidenten in Deutschland herzlich willkommen!
Beste Grüße
Ihr Friedrich Merz